Ein fröhliches Hallo an jeden, der diesen Blog besucht!

 

Nachdem ich mich fast drei Jahre zurückgezogen hatte, bin ich nun wieder da. Die aktuelle Situation hat mich gedanklich, emotional und in meiner Wahrnehmung von mir und der Welt gewaltig aufgerührt. Der Wunsch mich auszudrücken und zu äußern wurde in den letzten Monaten immer stärker.

„Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ (Lukas 6,45)

So entstand die Idee für diesen Blog. Ab und zu werde ich mich auf diese Weise zu Wort melden – mit Gedanken zum Leben.

Gerne nehme ich Feedback dazu entgegen: info@gerdeggers.deBeachten Sie bitte auch die Videos zum Thema auf meinem Youtube-Kanal.


 

Närrin

Gerade in dieser Zeit (September 2020) sind wir mit Regeln und Sanktionen in neuer Vielfalt und Durchgriffskraft konfrontiert. Viele verhalten sich vor­bild­lich und werden in kurzen Abständen in den Medien und von den Politikern gelobt. Das wird als reifes Verantwortungsbewusstsein bezeichnet. Manch einem wird es mulmig in dieser Atmosphäre zumal die Begründungen der Regeln in kurzen Zeitabständen wechseln und die Auswirkungen der Regeln diverse Ungerechtigkeiten erzeugen und ihre Grundlage recht fragwürdig ist. Mich interessiert an dieser Stelle, was in dieser Zeit mit uns und mit unseren Seelen geschieht.

Regeln und Normen - das ist nichts Neues. Schon vor Corona hat Hans-Joachim Maaz*(1) unsere Gesellschaft als „Normopathie“ beschrieben: Ein Gemeinwesen, das an seinen Regeln krankt. Dazu gehört die Grundnorm unserer Gesellschaft, dass jeder zu funktionieren und seine Rolle als Leistungsträger zu spielen habe.

Für den einzelnen erzeugt das einen hohen Anpassungsdruck, mit dem die Gefahr steigt, dass er den Kontakt zu sich selbst, seinen inneren Bedürfnissen und seiner inneren Wahrheit verliert. Wer kennt nicht den Zustand hektischer Betriebsamkeit, der nach pausenlosem Alltag eine innere Leere hinterlässt. Viele würden sagen: Das ist doch normal. Andere wiederum arbeiten auf ein Ziel (beruflich, geschäftlich) hin und stellen nach Jahren des Erfolgs fest, dass es das nicht wert war. In moderner Diktion heißt das dann Burn-out. Auch das ist normal. Mit Corona sind jetzt für viele Menschen zusätzliche Belastungen bis zu existenziellen Problemen hinzugekommen. Auch das droht normal zu werden.

Alle diese Erscheinungen halten uns in vorgefundenen, in vorgeschriebenen oder aus selbst eingeschlagenen Bahnen des Denkens und des Handelns. Unsere Gefühlswelt, unser Innerstes werden sehr oft von uns nach Nützlichkeit und Funktionalität zensiert. Die Folge: wir entfernen uns immer weiter von uns selbst, unsere Beziehungen werden lust- und freudloser und unser Geist unklarer.  Es entsteht ANGST: Nicht mehr zu genügen, nicht mehr zu gefallen, Fehler zu machen oder einfach ohne erkennbaren Grund. Da gibt es z.B. Optionen, die Leere mit Medikamenten bzw. mit Drogen zu füllen oder die Angst zu verdrängen.

Das ist normal.  Aber ist es wahr, ist es gut, ist es schön? Ist es gesund?

Till Eulenspiegel

Zwei Zitate dazu: 

„Normalität als Schwerstbehinderung“ (Matthias Schenk)

„Es ist kein Anzeichen von seelischer Gesundheit, sich an eine zutiefst gestörte Gesellschaft anpassen zu können.“ (Jiddu Krishnamurti)

Das ist harter Tobak. Vor allem, wenn wir es ernst nehmen wollen und nicht nur als Aphorismen sehen. Was bleibt denn beim Verlassen der Normalität, wenn man sich nicht an eine gestörte Gesellschaft anpasst? Geht das über­haupt, ohne sich in eine Höhle zurückziehen zu müssen?

Ich weiß es nicht, aber ich sage mal ja.

Zur Orientierung nehme ich mir den Archetypen NARR. Das ist kein Revolutionär im klassischen Sinne, das ist keiner, der neue Strukturen anbietet. Es ist ein uralter Archetyp, der als Hofnarr, als Till Eulenspiegel und auch heute als Comedian in unserer Kultur verankert ist. Mehr noch ist er eine wunderbare Qualität, die uns zur Verfügung steht, damit wir in den echten und künstlichen Bedingtheiten des Lebens das Wahre, Gute und Schöne erkennen.

Wir sind gefangen in Rollen, wir sind konfrontiert mit Regeln, Normen, Begründungen, Leistungsanforderungen, die unseren Alltag organisieren und als Energie durchdringen. Wo bleibt da die Zeit, die Kraft und der Wille, innezuhalten und zu spüren: „Was will ich eigentlich wirklich?“ und „Wer bin ich eigentlich?“ Mit anderen Worten, der Zugang zu meinen inneren Bedürfnissen, zu meiner Seele ist verschüttet.

Und was macht der NARR? Einfach mal den ganzen Regel- und Anforderungswust verlassen. Ganz einfach, ganz klein, ohne Anspruch. Etwas anderes, vermeintlich Unvernünftiges tun oder nichts tun oder oder oder…. Mal frech sein oder „blau machen“ oder laut singen oder in kaltes Wasser springen oder jemandem einen Streich spielen, laut schimpfen oder lachen...………

Der Sinn liegt nicht darin, eine Regel zu brechen, sondern darin, sich zu spüren. Hilfreich ist es auch zu fragen: „Warum tue ich das, was ich tue?“ Der „Narr“ kennt die Stärken und Schwächen der Menschen und den Wahnsinn der Welt und er nimmt es mit Humor. Er verblüfft mit kleinen Provokationen und Absonderlichkeiten, die uns aus der Routine reißen und in Kontakt mit uns bringen – wenn wir es zulassen. Wenn wir auf diese Weise auf die Welt schauen, sehen wir:

Die Corona-Krise macht die Kälte unserer Welt in wahnwitzigen Regularien und weltweiten Zerstörungen deutlich.  „Unsichtbar wird der Wahnsinn, wenn er genügend große Ausmaße angenommen hat“ hat Bert Brecht einmal gesagt. Was sich uns in der Welt darbietet, ist eine umfassende und durchdringende Strukturmacht, die uns suggeriert, man könne das Leben in mathematischen Algorithmen erfassen, die unsere Wahrnehmung auf das sinnlich Wahrnehmbare einschränkt, unsere Seelenkräfte negiert und uns in ein Korsett vermeintlich vernünftiger Normen und Regeln zwängt.

Aber wir können uns aus dieser Überstrukturiertheit lösen und uns wieder der Seelenkraft in uns und in der Welt zuwenden. Überprüfen wir doch die Regeln und unsere Rollen. Probieren wir Neues aus. Das Leben wartet – nein es ist da, wenn wir nur wollen. Mit einem LÄCHELN AUS DEM HERZEN. Und als Narren können wir uns den Raum und die Zeit geben, die Kraft innen zu spüren, die uns jetzt zur Verfügung steht, wir können uns ERDEN und ATMEN.

Die Möglichkeit, den kollektiven Wahn, die dunklen lebensfeindlichen Strukturen zu erkennen und zu überwinden, war noch nie so gut. Folgen wir – und sei es nur ab und zu – dem Weg des Narren, dann mag es uns leichter fallen das Spiel des „Normalseins“ und des Funktionierens zu durchschauen. Dann können wir spüren, wo wir uns entgegen den eigenen Gefühlen verhalten, wo wir zu versauern drohen, an welchen Stellen unsere Seele krank ist. Jetzt ist die Chance da, das Kranke zu erkennen und gesund zu werden.

Neulich sah ich ein Graffiti: „Manchmal tue ich so, als wäre ich normal. Aber dann wird mir langweilig und ich bin wieder ich selbst.“


(1) Hans-Joachim Maaz, Das falsche Leben. Ursachen und Folgen unserer normopathischen Gesellschaft, C.H. Beck


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